Runde 2: Der Monat März hält für Genrefreunde sehr gute und extrem schlechte Filme bereit
Pünktlich zu Ostern werfen wir in unserer noch recht neuen Reihe „Dark Movies“ zum zweiten Mal einen Blick auf interessante Direct-to-DVD-Veröffentlichungen im Bereich Horror, Mystery, Science-Fiction und Crime. Dabei wird es erstmals allerdings auch ein bisschen schwammig, denn genau genommen liefen zwei der vier Filme, die wir uns für den Monat März rausgesucht haben, bereits im Kino – namentlich „Let Us Prey“ und „Housebound“. Weil diese dort allerdings weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden und beispielsweise in unserer Nähe bislang keine Möglichkeit bestand, mal einen Blick drauf zu werfen, werten wir sie als DVD-Starts.
Genau diese beiden Filme sind es dann auch, die wir euch heute allerwärmstens ans Herz legen wollen. Ganz im Gegensatz zu zwei anderen Filmen, die so schlecht sind, dass wir uns dafür entschieden haben, beide auf den gemeinsamen vierten Platz zu setzen und Platz 3 somit freizulassen. Auch wenn es nur symbolischer Natur ist – einen dieser beiden Filme auf ein Treppchen zu stellen, wäre moralisch nicht zu verantworten gewesen. Sehr interessant übrigens, dass die beiden empfehlenswerten Filme von Spielfilmdebütanten kommen, während die missratenen Filme Regisseure mit durchaus guten Namen im Horrorgenre zu verantworten haben.
Platz 4: Among the Living
(IMDb)
Horror, Frankreich 2014, 84 Minuten, FSK 18
Cast & Crew
Regie/Drehbuch: Alexandre Bustillo, Julien Maury (beide: „Inside“, „Livid“)
Inhalt
Drei schlecht erzogene Kinder werden Zeugen einer Entführung und treffen auf ein Monster in Menschengestalt, doch niemand glaubt ihnen. Das Monster tätigt anschließend Hausbesuche, denn Zeugen für seine Existenz kann es nicht gebrauchen.
Kritik
Dieser Film ist ein einziger riesiger Fake. Eigentlich ist er gar kein richtiger Film, weil er grundlegende Regeln des Filmemachens missachtet. Er wechselt, auch in den vermeintlichen Spannungsszenen, munter zwischen vollkommen gegensätzlichen Perspektiven hin und her (Täter-Opfer) und verunmöglicht damit jede Identifikation, Empathie und eben wirkliche Spannung. Er bietet Charaktere an, die so unsympathisch sind wie nur möglich, ohne ansatzweise zu erklären, warum sie so unsympathisch sind. Wenn es ihnen dann später an den Kragen geht, nimmt man es zur Kenntnis, mehr nicht. Vor allem erklärt er auch nicht, warum die Charaktere so handeln wie sie es tun, warum beispielsweise Polizisten der Schilderung einer Entführung keinerlei Glauben schenken, gefühlte Stunden benötigen, um einem Notruf zu folgen, dann gemütlich angefahren kommen und stets die potentiellen Opfer zu den mutmaßlichen Tätern mitnehmen. Niemand handelt hier in irgendeiner Weise glaubwürdig – das vermeintliche Monster schon gar nicht. Und nicht zuletzt legt dieser Film stilistisch einen Offenbarungseid hin, weil hier alles zum reinen Selbstzweck verkommt: die obligatorische nackte weibliche Brust, die irgendwo noch ins Bild reinmusste, die teils drastische Gewalt, die diversen visuellen Spielchen wie rasch aufeinander folgende Auf- und Abblenden inmitten einer einzigen Szene, das extrem zwanghafte Nichtzeigenwollen des Monsters mithilfe billigster Mittel wie Unschärfen und „falsch“ postierter Balken. Das alles ergibt sich aus keiner inneren Logik des Films heraus. „Among the Living“ ist in jeder Hinsicht misslungen.
Fazit
Pro: solide Darsteller
Contra: vorhersehbare Story, selbstzweckhafte Gewalt und Inszenierung, dumm-unglaubwürdige Charaktere, null Spannung, ergibt kein filmisches Ganzes
Don’t look at this!
Platz 4: Exists
(IMDb)
Horror, USA 2014, 77 Minuten, FSK 16
Cast & Crew
Regie: Eduardo Sánchez („The Blair Witch Project“)
Drehbuch: Jamie Nash
Inhalt
Fünf Jugendliche fahren mit etwa 820 sie filmenden Kameras in eine Hütte im Wald. Dort wartet Bigfoot auf sie. Er ist sauer.
Kritik
Herzlichen Glückwunsch, Eduardo Sánchez. Sie haben nicht nur mit ihrem Erstlingswerk „Blair Witch Project“ Found Footage als Subgenre des Horrorfilms salonfähig gemacht (in Anbetracht der Auswüchse durchaus ein vergiftetes Kompliment). Nein, sie haben es auch geschafft, 15 Jahre später dieses Subgenre mit ihrem aktuellen Streifen „Exists“ wieder zu beerdigen. Found Footage als Stilmittel wurde wohl noch nie so absurd eingesetzt wie hier. Da läuft die Kamera in Momenten, in denen unmöglich eine Kamera anwesend sein kann, munter weiter und wird in Situationen gefilmt, in denen kein Mensch auf die Idee käme, das zu tun: etwa wenn gerade der Freund sterbend am Boden liegt oder man selbst von Bigfoot durch den Wald geschleift wird. „Exists“ ist aber auch darüber hinaus ein furchtbar schlechter Film mit nicht vorhandener Dramaturgie und Spannung sowie Charakteren, die noch nerviger und unplausibler agieren als die in „Blair Witch Project“ (ein Mann geht in den Wald, sieht Bigfoot, fürchtet sich, rennt zurück; am nächsten Tag: der Mann geht in den Wald, sieht Bigfoot, fürchtet sich, …). Dazu kommen Dialogzeilen aus der Drehbuchhölle: „It’s gone, there’s nothing out here.“ Was wird wohl geschehen? Zehn Minuten später: „It’s gone, it can’t get in here.“ Was wird wohl geschehen? Wäre „Exists“ eine Parodie auf Found-Footage-Horror oder ein Projekt der Klasse 11b, dürfte man den Filmamachern anerkennend auf die Schulter klopfen. Aber das hier ist das Werk eines erfahrenen Genreregisseurs und als solches eine Bankrotterklärung ans Filmemachen.
Fazit
Pro: Bigfoot spielt mit
Contra: gezwungen wirkendes Found-Footage-Konzept, unrealistisch agierende Charaktere, zahlreiche Filmklischees, quasi nicht vorhandene Dramaturgie
Don’t look at this!
Platz 2: Let Us Prey
(IMDb)
Horror, Großbritannien/Irland 2014, 88 Minuten, SPIO/JK (uncut) und FSK 18 (cut)
Cast & Crew
Regie: Brian O’Malley
Drehbuch: David Cairns, Fiona Watson
Darsteller: Liam Cunningham (Davos Seaworth in „Game of Thrones“), Pollyanna McIntosh („The Woman“)
Inhalt
Auf einer Polizeiwache in einer verlassenen Kleinstadt treffen eine Polizistin mit intakter Moral, ein mysteriöser Fremder, zwielichtige Bürger und Verbrecher in Uniform aufeinander. Es ist die Nacht der Abrechnung.
Kritik
Es sind atmosphärische Bilder, mit denen Regie-Debütant Brian O’Malley sein Erstlingswerk „Let Us Prey“ eröffnet. Der Tag neigt sich dem Ende entgegen und verschwindet in der Dunkelheit. Dafür scheint ein alter Mann den Wellen an der Küste zu entsteigen, begleitet von Unheil kündenden Krähen. Kurze Zeit später findet er sich in Polizeigewahrsam wieder. Dass er mit überirdischen Kräften gesegnet ist, wird sehr schnell klar. Ebenso, dass er diese wohl nicht zum Vorteil der Anwesenden einsetzen wird. In kurzen Rückblenden offenbart sich deren mörderische Vergangenheit, für dir sie nun büßen müssen. Himmel und Hölle, Mord und Vergebung, das sind die bestimmenden Motive dieses Films. Das Szenario beschränkt sich auf wenige Stunden, nahezu einen Ort und comichafte überzeichnete Charaktere: der dumme Jüngling, der oberschlaue Lehrer, die widerlich unsympathischen Cops. Die Gewaltausbrüche sind heftig, aber nicht realistisch. Ein Anspruch, den man an diesen Film generell nicht stellen sollte. „Let Us Prey“ ist eine von Elektrosound getriebene, in wunderbar düsteren, jede Hoffnung negierenden Bildern gefilmte Extremsituation, die der Überspitzung alles unterordnet. Hier treffen große Vorbilder (Hitchcock, Carpenter) auf große Talente (O’Malley, Kameramann Piers McGrail, Komponist Steve Lynch).
Fazit
Pro: atmosphärisch dicht, kompromisslos, ohne irgendwelche Schnörkel
Contra: stark überzeichnete Charaktere
Sehenswert.
Platz 1: Housebound
(IMDb)
Horror-Komödie, Neuseeland 2014, 107 Minuten, FSK 16
Cast & Crew
Regie/Drehbuch: Gerard Johnstone
Darsteller: Morgana O’Reilly („Sunny Skies“, „Nachbarn“, „This Is Littleton“)
Inhalt
Eine junge Frau wird nach einem misslungenen Geldautomatenüberfall zu achtmonatigem Hausarrest bei ihrer Mutter verurteilt. Für einige Zeit scheint das die schlimmste Strafe, doch dann mehren sich die Anzeichen dafür, dass es im Haus spukt.
Kritik
Dieser seltene Moment, wenn man das Gefühl hat, gerade etwas gesehen zu haben, was sich tatsächlich frisch anfühlt: „Housebound“ erzeugt dieses Gefühl. Inhaltlich und stilistisch ist es zwar vollkommen anders als beispielsweise „The Cabin in the Woods“ oder „Tucker & Dale vs. Evil“, aber es ist dahingehend gut vergleichbar, dass es aus einer eigentlich toten Prämisse doch noch etwas Originelles herausholt. „Housebound“ mischt Geisterhaushorror, Familiengeschichte, Außenseiterdrama, Slasher, Splatter und Schwarze Komödie in einer Art und Weise, die mit „äußerst charmant“ wohl am Besten beschrieben ist. Der Film ist immer dann brüllend komisch, wenn es eigentlich vollkommen unangebracht erscheint. Er nimmt seine Charaktere ernst, zögert aber auch keine Sekunde damit, sie der Lächerlichkeit preiszugeben (oder ihnen Schlimmeres anzutun). Er ist gruselig, spannend, durchweg unterhaltsam, mit einigen netten Twists gespickt, so dass wirklich bis zum Schluss offen bleibt, wohin genau die Reise eigentlich geht, und wird mit zunehmender Laufzeit immer besser. Mehr muss und sollte man im Vorfeld dieses Films dazu nicht wissen, lasst euch einfach selbst von ihm überraschen.
Fazit
Pro: sehr witzig, sehr blutig, sehr wendungsreich, sehr originell
Contra: –
Must See!
Die Rechte für die Bilder liegen bei Tiberius („Among the Living“), WVG („Exists“), Pierrot le Fou („Let Us Prey“) und Ascot Elite („Housebound“). Wir bedanken uns bei den Genannten für die Bereitstellung von Rezensionsexemplaren.