Alejandro González Iñárritu gehört zu den besten Filmemachern der Gegenwart. Das war mir eigentlich schon seit seinem letztjährigen Meisterwerk „Birdman“ klar, doch nun bin ich mir wirklich sicher. Wer ein Mammutprojekt wie The Revenant, das sich auf nahezu allen Ebenen des Filmemachens von seinem Vorgänger unterscheidet, zu einem solch würdigen Ende bringt, muss verehrt werden. Statt von der Kunst des Theaters handelt sein neuer Film von der Kunst des Überlebens. Den lebendigen und farbenfrohen Mikrokosmos eines Backstage-Bereiches ersetzt die unendliche, kalte, tote, menschenfeindliche Weite der amerikanischen Wildnis im Jahre 1823. Und anstelle von feurigen Dialogen regiert die eisige Stille. Hugh Class, gespielt vom wieder einmal grenzüberschreitend guten Leonardo DiCaprio, ist der einsame, schweigsame Kämpfer, dem nur noch ein Ziel im Leben geblieben ist: vergangenes Unrecht zu sühnen. Es ist eine grausame Zeit, in der Solidarität keine Waffe ist, sondern in den Untergang führt. Kameramann Emmanuel Lubezki, genau wie Iñárritu einer der Größten seiner Zeit, fährt den Protagonisten in einem Moment direkt ins angsterfüllte, zornige oder wild entschlossene Gesicht, nur um sie Augenblicke später wieder in der Weitwinkel-Optik verloren gehen zu lassen. „The Revenant“ ist vor allem und fast ausschließlich visuelles Überwältigungskino, mit einer als Hauptdarsteller agierenden Natur und poetischen, kraftvollen Bildern, die an die besten – ebenfalls von Lubezki gestalteten – Filme eines Terrence Malick erinnern. „The Revenant“ ist die Summe unzähliger beeindruckender Momente und Ideen, fesselt jedoch nicht von der ersten bis zur letzten Minute. Das unterscheidet ihn von „Birdman“ und macht ihn zu einem nicht ganz so grandiosen Film. Ein Ereignis, das unbedingt im Kino gesehen werden muss, ist „The Revenant“ dennoch.
Filmplakat: 20th Century Fox