Das Marvel Cinematic Universe stand schon mehrmals am Scheideweg. Zunächst mit dem ersten „Avengers“-Film im Jahr 2012, der nach einer Reihe mittelmäßiger Soloauftritte zeigte, dass diese Comic-Umsetzungen doch richtig gut sein können. Dann mit dem „Civil War“ im Jahr 2016, als sich die Frage stellte, ob die Reihe mutig genug ist, sich von Figuren und Traditionen zu verabschieden, um frischen Wind zu entfachen, aber außer einem grandiosen Superheldenkampf wenig anzubieten hatte. Und nun wieder. Zehn Jahre nach dem ersten „Iron Man“ laufen fast alle Fäden im Infinity War zusammen. Es ist ein Spektakel, das aus dem Rahmen fällt, mit nichts zu vergleichen ist und nicht nur deshalb, sondern auch wegen der kommenden Fortsetzung im Jahr 2019 nur schwer bewertet werden kann. Wie so häufig in den vergangenen Jahren setzt Marvel mit Figurenentwicklung, Hintergrundgeschichten und Dramaturgie keine neuen Maßstäbe. Selbst wenn man Trailer und Fotos ignoriert hat, weiß man stets so ungefähr, wohin die Reise geht. Überraschend gut gelungen sind hingegen die Balance aus Humor und Tragik sowie die Mammutaufgabe, mehrere dutzend Charaktere in zweieinhalb Stunden unterzubringen, ohne dass der Film vollkommen gehetzt wirkt. Letzteres ist vielleicht die größte Leistung des Regie-Duos, das diesmal jedoch keine ganz so hervorragend inszenierten Actionszenen wie in „Civil War“ und „The Winter Soldier“ im Angebot hat. Wie die verschiedenen Superhelden und ihre Kräfte miteinander agieren, ist dennoch phantastisch anzuschauen. Aber was ist nun mit dem erneuten Scheideweg? Sagen wir es mal so: Sollte der nächste „Avengers“-Film die Entwicklungen nicht rückgängig machen, hat das Marvel Cinematic Universe nun das Potential für weitere zehn Jahre. In jedem Fall dürfte es in den Kinosälen zu Beginn des Abspanns sehr ruhig sein. Und dann wird es Redebedarf geben – so viel wie vielleicht noch nie zuvor nach einem solchen Comic-Blockbuster.
Filmplakat: Walt Disney