Nach einer halben Stunde möchte ich ein Loblied auf diesen Film singen, nach 90 Minuten einen Verriss schreiben und als der Abspann läuft, weine ich und bin verwirrt. Was ist passiert? All the Bright Places zeigt zunächst einen realistischen Umgang mit dem Verlust einer geliebten Person: Wenn die Schülerin Violet Gleichgültigkeit für alles und jede*n empfindet und sich ein kurzer Ausbruch aus diesem Elend wie Verrat an der Verstorbenen anfühlt. Ärgerlich ist jedoch, dass Violet nur dank ihres teils übergriffigen Mitschülers Finch (Steine ans Fenster zu werfen, ist nicht cool) aus diesem Tal herausfindet und stets dessen freundlichen „Befehlen“ folgt. Immer weiß er, was für sie angeblich am Besten ist. Das wird der Komplexität des Problems wohl kaum gerecht. Finch und seine drastischen Gefühlsschwankungen wiederum bleiben bis zum Ende ein Rätsel. Was man zunächst Drehbuch und Darsteller anlasten möchte, ist aber wohl das Kernanliegen dieser Romanverfilmung: Es geht um Warnzeichen und Widersprüche; und darum, dass die Sehnsucht nach dem Tod auch bei jungen Menschen viele Gesichter hat.
Filmplakat: Netflix