American Sniper basiert auf den Memoiren „Sniper: 160 tödliche Treffer – Der beste Scharfschütze des US-Militärs packt aus“ des verstorbenen Ex-Navy-SEALs Chris Kyle, der von Bradley Cooper dargestellt wird. Als zielloser, texanischer Cowboy erfährt Kyle einen patriotischen Erweckungsmoment, als er die Bombenanschläge auf die US-Botschaft 1998 im Fernsehen verfolgt, daraufhin der US-Navy beitritt und bei den Navy-SEALs zum Scharfschützen ausgebildet wird. Eine Berufung, die – wie uns ein Flashback verrät – ihm schon in Kindertagen von seinem Vater bei der Jagd zugetragen wurde. Im Irak wird er schnell zum effektivsten Scharfschützen, der je die sandigen Straßen abgesichert und mit diversen Sprengkörpern bewaffnete Iraker erschossen hat. Auf seinen Heimreisen erlebt Kyle regelmäßig posttraumatische Belastungsstörungen, die ihn von seiner Frau Taya (Sienna Miller), seinem Nachwuchs und der ganzen zivilen Welt distanzieren, während es ihn stets zurück in den Irak zieht. Nach einem hochdramatisierten Duell mit einem geradezu monströs-bösartiger feindlichen Scharfschützen und Hunderten irakischen Soldaten, die wie Schergen in einem Sylvester-Stallone-Actionfilm niedergeballert werden, erreicht der Film sein tragisches Ende. „American Sniper“ vermag je nach Sequenz ausgezeichnet dramatisch und bewegend intim zu sein, mit zwei sehr präzise aufspielenden Hauptdarstellern in ihrer zerstörten Familienidylle. Und der Film vermag hervorragend gedrehtes und geschnittenes Action-Kino abzufahren, das sich der typischen Heroisierung und Diabolisierung des Blockbusterhandbuchs bedient und abgesehen von einigen emotionalisierten Momenten (die bekannt gewordene Trailer-Szene mit dem kleinen Jungen) durch die Art seiner Darstellung klar macht, was in dieser Geschichte wertvolles Leben ist und welches nicht. Zwar gibt es zwei oder drei alibihafte Szenen, die Zweifel an der Legitimität oder Sinnhaftigkeit des Krieges anmelden, doch werden diese schnell wieder ignoriert und erfahren keine Auswirkungen auf die Handlung oder deren Protagonisten. „American Sniper“ ist ein gescheitertes, 132 Minuten langes und aufgrund seiner schizophrenen Handlungsgewichtung schwer erträgliches Experiment – was seinen irrsinnigen Erfolg an den Kinokassen sehr bedauerlich macht. Die Bausteine des Films fügen sich nicht zu einem sinnigen Gesamtbild zusammen. Es ist, als würde man abwechselnd zwei verschiedene Filme gucken: Einer, der davon erzählt, wie furchtbar die Veteranen und ihre Familien durch den Krieg zu leiden haben. Und einer, der sich komplett am patriotischen Kampf und dem Töten der „Wilden“, der Iraker, ergötzt, um sämtliche Dopamin-Knöpfe in den Köpfen seiner von Actionfeuerwerken verwöhnten Zuschauer zu drücken. Die eine Perspektive lässt die jeweils andere unehrlich und geschmacklos wirken. You can’t have your cake and eat it, too – wie die Amerikaner dazu sagen. Es hat wahrscheinlich noch kein anderer Film zuvor die Grenzen zwischen Anti-Kriegsfilm, Drama und Unterhaltungs-Action-Kino so sehr zum Verschwimmen gebracht hat. So bedenklich das auch sein mag, bietet es uns doch die Gelegenheit, darüber nachzudenken, was wir von den jeweiligen Film-Arten erwarten wollen und unter welchen Bedingungen sie miteinander vereinbar sind – oder eben nicht. Auf welche Weise auch immer so eine Synthese möglich sein mag: So, wie Regisseur Clint Eastwood es hier versucht hat, geht es nicht.
Filmplakat: Warner Bros. Pictures