Ich muss zugeben: Hätte mich vor Kurzem irgendjemand gefragt, wer Alan Turing war – ich hätte es nicht gewusst. Und das ist eine Schande. Denn dank Morten Tyldums Biopic The Imitation Game weiß ich nun, dass Alan Turing zu den wichtigsten (und tragischsten) Menschen des 20. Jahrhunderts gehört. Seine Entschlüsselung der Nazikommunikation verkürzte den Zweiten Weltkrieg nach Ansicht vieler Historiker um zwei bis vier Jahre. Er entwickelte einen Prototypen dessen, was wir heute Computer nennen. Und er war es, der wegweisende Überlegungen zum Verhältnis von Mensch und Maschine anstellte. Turing war ganz offensichtlich eine faszinierende Person, ein schwieriger Charakter und ein Mensch, der unter den Verhältnissen seiner Zeit litt – denn er war homosexuell, was in Großbritannien damals als „grobe Unzucht“ galt und unter Strafe stand. Wer verurteilt wurde und nicht ins Gefängnis wollte, musste extrem gesundheitsschädigende „Medikamente“ zu sich nehmen. „The Imitation Game“ ist somit nicht nur ein gerade in den Schlüsselszenen spannender Spionagethriller, sondern vor allem ein bewegendes und manchmal richtig aufwühlendes Charakter- und Gesellschaftsporträt. Mit Benedict Cumberbatch hat es einen enorm differenziert spielenden Darsteller in der Hauptrolle, der sich zu Recht Hoffnungen auf einen Oscar machen darf. Auch Keira Knightley, die für viele ja nicht die ganz große Schauspielkunst verkörpert, überzeugt. Trotz vieler starker Momente ist „The Imitation Game“ insgesamt aber ein ziemlich konventionell erzählter Film mit ordentlich Pathos. Da gibt es die übliche „Wenn er geht, gehe ich auch“-Szene, die tiefsinnigen Sätze, die dadurch weiter an Bedeutung gewinnen sollen, dass sie von verschiedenen Charakteren wiederholt werden, und natürlich die unvermeidliche Nachdenken/Ausdauerlauf-Parallelmontage. Es ist zweifelsfrei – sehenswertes – Oscar bait.
Filmplakat: SquareOne