Inherent Vice

Inherent ViceWer den Leinwanderern von Anfang an folgt, wird sich vielleicht noch an den allerersten Podcast erinnern: Damals habe ich „The Master“ von Paul Thomas Anderson als meinen persönlichen Lieblingsfilm des Jahres 2013 genannt. Entsprechend hoch waren nun die Erwartungen an den Nachfolger, die von dem phantastischen Trailer noch weiter angeheizt wurden. Nun ja. Inherent Vice ist ein typischer Anderson: anstrengend, sperrig, schwer zugänglich, präzise inszeniert, großartig gespielt, freizügig, zeitlos. Worum es eigentlich geht, ist selbst nach zweieinhalb Stunden nicht endgültig geklärt. Im Mittelpunkt der Handlung steht aber der Privatdetektiv Larry „Doc“ Sportello (Joaquin Phoenix), dessen Ex-Freundin Shasta (Katherine Waterston) spurlos verschwindet. Bei der Recherche bekommt es Doc immer wieder mit dem ihm übel gesinnten Polizisten „Bigfoot“ (Josh Brolin) zu tun und verheddert sich immer weiter in einem Netz aus Spionen, Drogenkartellen, Zahnärzten und verführerischen Frauen. Wer in wessen Auftrag handelt oder wer aus welchem Grund irgendwann einmal für irgendjemanden gearbeitet hat, wer die vermeintlich Guten und wer die vermeintlich Bösen sind, das alles war für mich irgendwann nicht mehr wirklich zu durchschauen. Doc ist permanent bekifft – ein Bewusstseinszustand, den Regisseur Anderson wohl auch auf die Zuschauer übertragen wollte. Um das große Ganze geht es diesmal auch gar nicht. „Inherent Vice“, der im Übrigen nicht nur in den 70er Jahren spielt, sondern dank der Auswahl der Musik, der trüben Bilder und des überzeugenden Designs auch so wirkt, als sei er in den 70ern gedreht worden, ist die Summe vieler grandioser Einzelszenen, in denen die genannten Darsteller (und einige andere wie Reese Witherspoon, Owen Wilson und Benicio Del Toro, die nur wenige Minuten Leinwandzeit bekommen) zu Hochform auflaufen. An „The Master“, Andersons Meisterwerk, in dem er von der ersten bis zur letzten Minute stets den richtigen Ton traf, reicht „Inherent Vice“ bei Weitem nicht heran. Sehenswert – sofern man bereit ist, auch mal etwas in einen Film zu „investieren“ – ist er aber allemal. Kleiner Test: Wer sich eine Szene, in der Joaquin Phoenix eine halbe Minute lang nichts anderes macht als Josh Brolin angewidert-fasziniert beim Essen einer Schokobanane zuzuschauen, grundsätzlich als brüllend komisch vorstellen kann, ist bei „Inherent Vice“ bestens aufgehoben.

 

Filmplakat: Warner Bros

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